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Vogdts literarische Schundkommentare

Heute: Charlie Huston der Prügelknabe Heine, ISBN 978-3-453-87779-5

„Ich habe die beschissene Katze getreten“,

mit diesem Satz leitet der Samoaner Blackie eine Tortur für Bud ein, die sehr viel kürzer ist als die Prügel, die Hank bezieht, allerdings den Leser sehr viel mehr nervt. Während Hank nur die Fäden einer frischen Nierenoperation mit der Zange gezogen werden und gezielte Schläge durchgehenden Schmerz verursachen, bricht Blackie dem kleinen Kater doch tatsächlich ein Bein.

Dieses kleine Intermezzo ist eines in einer unendlich langen Reihe von Schlägereien, die dieses Buch durchgehend beleiten. Hank, inzwischen professioneller Alkoholiker, ehemals für ein paar Stunden als Baseballspieler weltberühmt, bekommt Bud zusammen mit einem versteckten Schlüssel untergeschoben und muss sich nun gegen korrupte Polizisten, Killer und den verbotenen Suff wehren. Die Handlung ist simpel. Hinter dem Schlüssel verbergen sich mehrere Millionen Dollar, an die nun wirklich jeder ran will.

Das seltsame an dem Text ist die gefühlte Gewaltlosigkeit, obwohl ununterbrochen geprügelt wird. Russ, der Besitzer von Bud und dem Schlüssel, stirbt nach heftiger Baseballschlägerprügel still in der U-Bahn, Yvonne wird auf dem Couchtisch massakriert, und doch gehört des Lesers Mitgefühl Bud, dem kleinen Kater, der dem Ganzen in einer Reisetasche beiwohnt und ab und an Hank durch langes Schlecken tröstet. Einfach so. Bud, der Kater als praktizierender Psychologe.

Diese Art der Selbstbespieglung sollte der Leser mögen. Prügel als literarische Ausrede für eine sehr sensible Stadtbeschreibung. New York ist die zweite heimliche Hauptfigur. Die Summe der Gewalttätigkeiten hebt sich irgendwann auf, wenn man bis Seite 85 durchgehalten hat. Prügel als Selbstzweck, um die Identifikationsfrage von Hank zu beantworten, der natürlich und eigentlich gar nicht so schlimm ist. Dass Russ erschlagen werden muss liegt, nicht am Geld, sondern an der Katze. Hank wäre in einem Leben mit Korrekturmöglichkeit bestimmt auch ein sehr guter korrumpierter Bulle geworden und nicht ein fußkranker Barkeeper. Huston schreibt hemmungslos die Prügel herunter, wie sie eben bei einer solchen Story fallen muss. Schmerz als Hoffnung auf erfülltes Leben, Leichen als plakative Hinweise darauf, dass Leben auch ganz anders sein kann. Wer Katzen für den Nachbarn hütet, darf sich halt nicht wundern.

Empfehlenswert ist das Buch für Menschen, die der Schundliteratur den Stellenwert zubilligen, den sie entgegen landläufiger Kritikermeinung hat und in der Prügel also kein Alibi ist, sondern gerechter Dialog in unendlicher Einsamkeit. Erstaunlich ist, wie Huston den Leser in der eigenen Sentimentalität erwischt, in ihm attraktiven Abscheu erregt und ihn gleichzeitig zwingt, das Buch Wort für Wort zu Ende zu lesen. Die 3. Auflage des 2004 erschienenen Bandes spricht für die These, dass Prügel als Identifikationsersatz irgendwie sinnvoll ist. Hank setzt sich durch und erfreut sich über den Erster-Klasse-Flug, auf dem Weg nach Mexiko, bei dem ein heißes Erfrischungstuch seine Tränen verbirgt. Bud ist natürlich mit von der Partie. Die Art und Weise, wie der inzwischen vierfache Mörder den Kater transportiert, um unbehelligt durch die scharfen Kontrollen zu gelangen, rechtfertigt die geldbestimmte Brutalität zwar nicht inhaltlich, aber sicherlich literarisch. Der Rat des erfahrenen Schundlesers: Es lohnt sich, die Serie chronologisch, eben, genau wie bei Raimond Chandlers „Philip Marlowe“ und Andrew Vachss „Burke“ zu lesen, also immer dann, wenn eine Serie entdeckt wird. An der seelischen wie intellektuellen Wandlung der Helden kann der Leser vortrefflich mitwachsen und sogar genesen. Schaffen Sie sich einen Kater an!

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