Vogdt fragt | Vogdt antwortet |
Stehen Sie sich nicht des Öfteren im Wege herum, bei der Artenvielfalt, die Sie betreiben? |
Manchmal geschieht dies in voller Erkenntnis der darin lauernden Gefahr. Betrachtet man diese Position aus der Sicht des Fatalisten, erklärt sich der gern gelebte Satz: Wer die Gefahr liebt, kommt darin um. |
Bitte? Sie sind auf einem egomanischen Zockertrip? |
Nein, wahrlich nicht. Zocken und Gefahr passen nicht wirklich zusammen, denn der Zocker sucht nicht die Gefahr, sondern die Liebe. Ein sehr strategischer Widerspruch in sich. Umkommen kann als Synonym für Leere betrachtet werden. Der schlichte Mensch, der oft gute Eltern abgibt, will keine Leere, sondern Erfüllung durch allerlei lustige Maßnahmen wie - genau, das ist es - Liebe, Zuneigung, Haushaltshilfe, Knackwursthäuschen, Dieselmercedes, Premiereprogramm und zwei Alltourswochen. Ich suche als Zeichner und Maler - also nicht als Mensch - vorrangig Leere. Ohne Leere, kein Ergebnis. Das ist die Gefahr, die ich meine. |
Welche Leere bevorzugen Sie? Die Leere der Vernunft, des Sattsein oder des Dialoges? Oder doch lieber die Leere der Intuition? |
Leere ist zunächst einmal reinigender Selbstzweck. Den ganzen Tag wird das Hirn zugesülzt mit vielen wichtigen und intelligenten Informationen. Der Fatalist sortiert Rechtfertigungen und pragmatische Dummheit ständig aus, so dass diese Charaktereigenschaften das Umfeld der Leere gar nicht erreichen. Die Leere wird ständig von den eigenen Absichten bedrängt, Absichten, die durch den Publicrelationsfaktor nachhaltig bestimmt werden. Dieser ist allerdings völlig ungeeignet, bei der Herstellung von Kunst mitzuwirken. Er schreit zu schnell nach Beifall und ist geneigt, dem Mainstream zu frönen. Doch Mainstream provoziert Beifall von der falschen Seite, und schon ist die Leere futsch. |
Wozu benötigen Sie diese Leere? Wollen Sie damit andeuten, dass Sie im Malprozess hohl sind? |
Genau! Eine schöne Metapher. Aus dem Zustand des Hohlen — also des Nur-mit-Luft-gefüllt-sein — Kunst zu schaffen, ist ein sehr guter Ansatz. Leider ist das Wort "hohl", bezogen auf den Geist, negativ besetzt, leer allerdings nicht. Mich interessiert beim Malen das Gedankenlose, also ein politischer Zustand, in dem sehr gewollte Willkür herrscht. Paart man das mit Absichten und einem Quäntchen Begabung, kann ein Bild schon mal gut sein, wenn es fertig ist. Dieses Bild entbehrt dann jeder Fragestellung, da es im Zustand der Leere ist. Interpretationen sind deswegen nur noch Privatangelegenheit. Und das gefällt mir sehr gut, da in diesem Aggregat nicht nur die Wertigkeit beginnt, sondern auch das Werten. |
Soll das jemand verstehen, oder ist das wieder eine typische Vogdt-Attitüde? |
Es geht nicht um das Verstehen. Es geht um das Ergebnis. Mir liegt daran, in Gedankenlosigkeit das zu Papier zu bringen, was ich vorher, also vor dem Prozess, bedacht habe. Und da ich ausschließlich abstrakt arbeite, würde jeder konkrete Gedanke nur stören. Es gibt so viele von Gedanken gestörte Bilder, dass ich diesen Weg gewählt habe. Darum sind mir auch sehr viele Video- und Foto Kunstwerke irgendwie fremd, oder Linealmalerei, oder surrealistisches Gequatsche. Gedachte Kunst ist schnell öde,abgegrast. Oft ist sie noch nicht einmal lecker langweilig, sondern nur banal. |
Das klingt sehr strategisch. Woher nehmen Sie denn das vorher Gedachte? |
Ich lese ununterbrochen Schundliteratur, Fachbücher, Zeitungen und Zeitschriften,und Filme wie Kill Bill durchdringen mich wie Alkohol. Sortierte Wahrnehmung wäre ein Begriff. Da gab es diesen Satz von John Michellet, einem völlig unbekannten Autoren, zumindest hier. Der schrieb in einem sehr guten Buch — der Titel ist mir leider abhanden gekommen … ist 20 Jahre her — den Satz: Er (verarmter Detektiv!) hatte seit Monaten nicht geschlafen, aber Augen, die geschlossen werden konnten. Aus diesem Satz entstand dann eine sehr kraftvolle Werkgruppe. Dieser Satz hat das auch verdient. Ein anderer wunderbarer Satz von Anias Nin, etwas pervers, in der Sache allerdings so hart an der Wahrheit, dass es schmerzt. Auf einem Marktplatz irgendwo wird öffentlich ein Mann gehängt. Sie, neugierig betroffen, steht in der Menschenmenge. Ein Mann ergreift von hinten ihren Rock, dreht die Knopfleiste zu sich, öffnet ein paar Knöpfe, schiebt den Slip herunter und dringt in sie ein: Sie wandte nicht den Kopf, drehte sich nicht um! Basta. Es entstand und entsteht zu dieser literarischen Vision ein Konvolut an Blättern. Seit mindestens 25 Jahren. |
Hart an der Wahrheit, was bedeutet das nun wieder? |
Frost hat festgestellt, dass es Wahrheiten gibt, die nie in der Realität ankommen. Folglich sind meine geäußerten Gedanken zumindest hart bei der Wahrheit und schaffen sich so die Möglichkeit, real zu werden. Abstrakte Malerei ist real, und konsequent gedankenlos. Es gibt Menschen, die "gedankenlos" mit dumm verwechseln. Das ist gut so, denn damit erübrigen sich Fragen. Haben Sie noch eine? |
Nein.
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