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Drs. Guido de Werd über Jürgen Vogdt
Eine erste Konfrontation mit den Arbeiten des
Künstlers Jürgen Vogdt
verursacht ausnahmslos Verwirrung und Ratlosigkeit. Dies wird kaum aufgehoben
durch eine persönliche Begegnung mit dem Künstler,
der durch die Überzeugung seiner Arbeit und das Unmittelbare
des Auftretens diese eher noch — gewollt oder ungewollt — vergrößert.
Aber das ist sein Werk:
Trotz eines Brandes, bei dem ein Teil seiner frühen
Arbeiten endgültig verloren ging, der Zahl nach bereits immens und von einer
solchen innerlichen Logik und Konsequenz, dass die Integrität der
künstlerischen Aussage Jürgen Vogdts vorausgesetzt werden muss. Die
künstlerische Arbeit beherrscht sein Leben, sein Denken und Handeln, und es
wird Ausdruck verliehen durch eine rastlose Besessenheit, zeichnen und malen zu
müssen. Er scheint von seinem jetzigen Beruf, der ihn sicherlich mehr als
vierzig Stunden in der Woche beansprucht, kaum in seiner Kreatitvität
eingeschränkt zu werden. Jürgen Vogdt erfährt die tägliche Arbeit vielmehr als
Förderung der Konzentration auf die künstlerische Tätigkeit, die niemals der
Gefahr, ins Nebensächliche abzurutschen, ausgesetzt ist.
Vogdt zeichnet nicht nur mit Blei-, Lippen-, Farb- und Kopierstift, sondern
auch mit Ölfarbe, Ochsengalle, Nagellack, Goldbronze und Plakatfarbe auf altem
und neuem Papier, auf Transparantpapier und Karton. Diese Materialien sind alle
angemessen, seinen innerlichen Erregungen und Motivationen, denen er
unbekümmert nachgibt, Ausdruck zu verleihen. In Kontrast mit der Spontaneität
des Impulses wirkt das Resultat beherrscht und ausgewogen: Blattfüllung
und Verteilung der Gewichtigkeit der Zeichnung entsprechen der Sensibilität des
zeichnerisches Striches. In den Zeichnungen kehren gewisse Zeichen zwar
regelmäßig wieder, aber nie werden diese Zeichen zu klischeemäßig verwendeten
leeren Symbolen. Symbolik gibt es allerdings wohl, zum Beispiel in den vielen
Anspielungen, in der Kongruenz zweier Formen in einer Arbeit oder in der
Parallelität zweier Arbeiten auf die ihn, selbst Hälfte eines eineiigen
Zwillingspaares, fesselnde Problematik der Zwillinge. Die Handschrift Vogdts
ist unverkennbar äußerst sensibel; manchmal neigt sie in der Mühelosigkeit des
Striches und in der Unerschöpflichkeit der Linienführung zur Demonstration von
Virtuosität.
Vogdts Farbenwahl ist primär Blau und Rot;
die Zeichnungen sind meistens — mit
Einbeziehung des Braungelbes des Blattes — erdtönig gehalten. Dagegen
beherrscht die 1982 entstandenen Gemälde ein sehr dunkel gehaltenes
Schwarz-Blau. Die Gemälde entsprechen, auch wenn der Gesamteindruck
grundverschieden ist, dem Duktus nach den Zeichnungen. Obwohl Jürgen Vogdt
Autodidakt ist und er seine Kunst weit von den großen Zentren entfernt
entwickelt hat, sodass der Einfluss eines Lehrers nicht nachweisbar ist, so
heißt das nicht, dass sein Werke ohne Impulse von außen entstanden ist.
Einerseits baut er auf der informellen Malerei der fünfziger und sechziger Jahre
auf. Georges Matthieu und Emil Schumacher bewundert er ebenso wie die
Materialbilder von Antonio Tàpies. Andererseits hat Jürgen Vogdt bereits
relativ früh mit den Zeichnungen und Objekten von Joseph Beuys Bekanntschaft
gemacht, was von ihm selbst als auslösendes Erlebnis gewertet wird. Vor allem
bei den Beuys-Zeichnungen ist er getroffen von der Mühelosigkeit, womit dieser
Gedanken in Formen und Strichen umsetzt.
Jürgen Vogdt ist literaturhungrig und belesen,
und er lässt sich durch das ihn
Packende beeinflussen. Zweieinhalb Jahre lang wurde er fast monoman inspiriert
durch Konrad Bayers "der sechste sinn" und zeichnete nicht im Sinne
der Illustration, sondern der Umsetzung in die eigene Zeichensprache.
In den Titeln seiner Arbeiten spürt man eine Freude
an einem freizügigen Umgang
mit der Sprache, die der Freiheit seiner Zeichnungen gleichrangig ist.
Allerdings sind die meisten in Handschrift auf die Arbeiten geschriebenen Texte
kaum lesbar. Und sind sie lesbar, erleichtern sie meist nicht den Zugang zu
Sinn und Inhalt der Arbeit. Und so bleibt der Betrachter bei der Konfrontation
mit den Arbeiten Jürgen Vogdts doch darauf angewiesen, sich ganz auf die von
Vogdt eingesetzten Bildmittel und deren Wirkung zu konzentrieren.
(Guido de Werd, Katalogtext
zu einer Ausstellung im Haus Koekkoek in Kleve, 11. März bis 8. April 1984)
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