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Dr. Dirk Brinkmann
Stille Post für Fortgeschrittene
Jürgen Vogdt in seinem Atelier; die
Heizung beginnt langsam zu wärmen. Die Satellitenschüssel wie immer leicht dejustiert.
Nicht eindeutig zu bestimmen, welcher Sender da gerade einschneit. Er greift
den Bildband. Das Telefon klingelt schon wieder. Ein Agenturkunde moniert die
knappen Termine für die Herstellung der Broschüren. Vogdt erhebt sich vom
Holzstuhl, gestikuliert verhalten mit dem Kunden. Klärung. Bei Seite neun der
Versuch, die Beine gemütlich auf der Arbeitsfläche zu platzieren. Er erwischt
sich dabei, konzentriert zu werden. Ein gutes Zeichen. Weniger Licht! Mit dem
Buch in der Hand wird der Schalter gesucht. Also los: Die Fotografien zur
Linken, Stift und Blatt zur Lechten. Jetzt nur nicht die zarte Ahnung von
Besessenheit zerstören. Was links reingeht, kommt rechts wieder heraus.
Bearbeitet durch Verstand und Emotion. Stille Post für Fortgeschrittene! Mit
dem zweiten Blatt lässt der Druck im Magen schnell nach. Das Hirn kümmert sich
zunehmend um das Assoziative, das Methodische und um die Zeit danach. Die
Hirnanhangdrüse konzentriert sich auf die Tat als solche, auf das Jetzt.
Vierzehn Blätter später: Licht aus und ruhen. Er freut sich auf morgen.
Diese imaginäre Darstellung eines
Vogdt'schen Kunsttages mag im Detail nicht genau sein. Im Kern dürfte sie treffend
beschreiben, was das Wirken des Künstlers Vogdt ausmacht. Die Aufnahme
äußerer Anregungen und die treffsichere, individuelle Reaktion darauf.
Dieses immer gleichartige Muster ist ohne Schwierigkeiten wiederzuerkennen. Ja, er stößt den Rezipienten direkt auf
seine Methode, ohne die Trivialität des Ansatzes zu verschweigen. Die viel beschworenen
seriellen Arbeiten machen dies besonders deutlich. Natürlich spielt es dabei
keine Rolle, ob es sich um gevogdtete Kerne oder gekernte Vogdte handelt. Das
eine geht nicht ohne das andere. Und natürlich nimmt Jürgen Vogdt dabei immer
die aktivere Rolle ein, nicht jedoch immer die einfachere. Sich 73-mal zu
stellen, mit gleichbleibend hohen Anforderungen an sich selbst und an die
innere Offenheit der Quelle gegenüber: das trägt masochistische Züge. Jürgen
Vogdt weiß schon beim ersten Exemplar um die drohenden Qualen. Deshalb die
Feststellung von Besessenheit..
In der Reaktion auf seine Erreger
erlaubt er sich jede Form der künstlerischen Erwiderung: schlichte Übertragung
des Aufgenommenen, Konzentration auf das Symbolische oder die Umsetzung von Erahntem
in die eigene Bildsprache. Das gerahmte Ergebnis dieser Anstrengungen setzt
der Betrachter zur ursprünglichen Ouelle ins
Verhältnis und gewinnt dadurch einen Einblick in den Transformationsprozess
und auch den Transformator selbst. Letztlich gilt dies sowohl für die Serien,
als auch für das unitäre Bild. In Analogie zur Mathematik bieten die Arbeiten
in Serie jedoch den Vorteil, dass dort ein Gleichungssystem von
Input-Output-Relationen aufgestellt wird, welches es dem Betrachter
erleichtert, die transformierende Matrix näher zu bestimmen. Durch die offene
Präsentation der kommunizierenden Strukturen wird es möglich, Einblick in das
Wesen menschlicher Verarbeitungsprozesse zu gewinnen.
Ist der Mensch einmal für den Vogdt'schen Weg, Kommunikation in Bilder zu gießen, ausreichend
sensibilisiert, so benötigt er das Serielle nicht mehr unbedingt. Die guten Arbeiten
vermitteln eine sichere Ahnung vom Bestehen eines kausalen Bezugs, zu was auch
immer. Diese Ahnung provoziert Jürgen Vogdt regelmäßig in seinen Arbeiten, sodass
sich der Prozess auch ohne Kenntnis des auslösenden Inputs dem Betrachter
letztlich erschließt. Dass Jürgen Vogdt bei dieser Vorgehensweise auch viel von
sich selbst preisgibt, bringt die Methode mit sich. Es dürfte ein hartes Stück Arbeit gewesen sein,
sich die notwendige Ehrlichkeit und Offenheit anzueignen und mit jedem guten
Bild deutliche Einblicke in eigenes Empfinden zu gewähren. Doch erst durch
diese permanente Konfrontation mit den Mechanismen menschlichen Denkens ist es
Jürgen Vogdt gelungen, seinem hohen Ansprüchen an die Qualität von
Kommunikation gerecht zu werden. Und davon lebt er ja: als Mensch, als Künstler
und als Lenker der Geschicke einer Agentur für Werbung und Kommunikation.
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